Heimweh nach der ferne

China 2004

Reisebericht China, Provinz Yunnan

9. Januar bis 2. Februar 2004

 

Gruezi - Ni hao*

 

Am 9. Januar 2004 beginnt sie: Unsere mehrmonatige Traumreise, die uns vorerst nach Südostasien bringen wird. Via London fliegen wir nach Hongkong, wo wir die ersten Tage bei unserem Freund Christoph wohnen und uns so langsam an das asiatische Leben klimatisieren können. Und dann geht's richtig los: Am 13. Januar 2004 besteigen wir den Expresszug nach Guangzhou. Wir reisen in der 1. von drei Klassen, da es für westliche Touristen sehr schwierig ist, billigere Tickets zu bekommen. Zusätzlich zu den uns bekannten zwei Klassen gibt es in China noch die dritte Klasse, die aus einfachen Holzbänken besteht. Reservationen sind hier keine möglich. Die Fahrt nach Guangzhou dauert rund eineinhalb Stunden und verläuft angenehm und problemlos. In Guangzhou steigen wir aus und stürzen uns in die Menschenmenge. Zum Glück kennen wir diesen umtriebigen Umsteigebahnhof von einer früheren Reise und konnten uns entsprechend darauf vorbereiten. Wir suchen den Busbahnhof und den richtigen Bus der uns quer durch diese Millionenmetropole ans andere Ende der Stadt zum Nordbahnhof bringen soll. Zum Glück sind die Busnummern in uns bekannten Zeichen angeschrieben und wir erwischen nach einigen Versuchen den richtigen Bus. In der Nähe des Nordbahnhofs befindet sich auch die Jugendherberge, wo wir die erste Nacht verbringen. Das Zimmer ist sehr sauber, aber die Betten extrem hart. Am besten wir gewöhnen uns vom ersten Tag an den neuen Schlafkomfort. Am nächsten Morgen besteigen wir den Zug nach Kunming, in der Provinz Yunnan. Vor uns liegen 30 Stunden Zugfahrt und ebenso viele Stopps. Diesmal reisen wir im Schlafwagen der 1. Klasse, einem komfortablen 4-er Abteil, welches wir mit einem Chinesen teilen. Die lange Fahrt verkürzen wir mit unserer internen Jockermeisterschaft, welche wir hier beginnen. So vergeht die Zeit wie im Fluge.

 

Kunming ist die Hauptstadt der Provinz Yunnan im Südwesten Chinas. Die Provinz ist beinahe 10mal so gross wie die Schweiz. Die Einwohnerzahl beträgt 40 Millionen. Unter Chinas Provinzen ist sie landschaftlich eine der vielfältigsten. Im Süden liegt tropischer Regenwald, im Norden befinden sich die schneebedeckten Gipfel der tibetanischen Berge. Yunnan ist bekannt für sein mildes Klima. Der Name bedeutet "südlich der Wolken" und Kunming hat den Zusatz "Stadt des ewigen Frühlings" erhalten. Diesen Namen trägt sie zu recht, werden wir doch von frühlingshaften Temperaturen, blühenden Narzissen, Osterglocken, Tulpen und Magnolienbäumen empfangen. Und dabei ist immer noch Januar. Durch die unzähligen Parkanlagen unterscheidet sich die Stadt auch positiv von anderen chinesischen Großstädten.

 

Im Osten von Kunming liegt "Shilin", der bekannte Stone Forest. Trotz des relativ grossen Bekanntheitsgrades dieses Parkes ist die Reise dorthin relativ schwierig. An der Busendstation sind wir recht ratlos, da kein Wegweiser nach Shilin zeigt. Zum Glück treffen wir auf einen chinesischen Touristen mit dem gleichen Zielort, mit dem wir gemeinsam ein Taxi nehmen, das uns schliesslich nach Shilin bringt. Wir sind vom prächtigen, für Touristen schön angelegten Park überrascht. Durch die vielen Steinformationen führen Fußwege und einige der Kartsfelsen können wir auch besteigen. In der Hochsaison werden hier in der vorhandenen Tanzarena regelmäßig kulturelle Veranstaltungen durchgeführt.

 

Die Provinz Yunnan hat einige besondere Essensspezialitäten. Berühmt und sehr delikat sind Nudeln "over the bridge". Man erhält eine Schüssel mit sehr heisser Suppe, und dazu in kleinen Schälchen diverse Zutaten wie Eier, Gemüse und dünn geschnittenes Schweinefleisch, Poulet und eine Schale Nudeln. Alle Beilagen werden nun am Tisch rasch der heissen Suppe beigefügt. Je nach Art und Menge der Beilage variiert der Preis zwischen 5 und 40 Yuan (10 Yuan entsprechen ungefähr CHF 1.70). Die Bezeichnung "over the bridge" entstammt einer Sage. Vor langer Zeit lebte in Yunnan ein Schüler, welcher sich für die Prüfungsvorbereitung auf eine Insel auf einem See zurückzog. Seine Frau musste jeweils über eine lange Holzbrücke gehen, wenn sie dem Bücherwurm seine Mahlzeiten bringen wollte. Eines Tages bemerkte sie, dass die Suppe, in der sie ein Huhn gekocht hatte, immer noch heiss war, obwohl kein Dampf sichtbar war. Die feine Oelschicht an der Oberfläche verhinderte, dass die Suppe erkaltete. Es zeigte sich, dass sie die Beilagen in der noch heissen Suppe erwärmen konnte, selbst wenn sie den langen Weg über die Brücke zu ihrem Mann zurück gelegt hatte.

 

Leider vermag der Verdauungstrakt von Christian nicht alle Speisen problemlos zu verdauen. Christian verbringt den ersten Tag mit einer Magen-Darmgrippe in Bett - zum Glück sind wir in Kunming in einem netten Guesthouse mit Fernseher .... sowie dem üblichen Thermoskrug mit heissem Wasser. So können wir gemütlich Lipton Schwarztee und instant Nescafe 3 in 1 (Kaffee, Milch und Zucker) trinken.

 

In Lijiang, rund 10 Fahrtstunden mit dem Bus von Kunming entfernt, ist es vorbei mit den Frühlingstemperaturen. Am Morgen messen wir gerade noch 12 Grad in unserem Zimmer. Heizungen kennt man hier nicht, aber wir sind das erste Mal dankbar über die elektrischen Heizdecken. Die Altstadt Lijiangs und seine Umgebung sind wunderbar: Ein Netz von schmalen Gassen, Brücken und Wasserkanälen, historischen Holzbauten in der typischen Naxi-Architektur und der überwältigende Blick auf den schneebedeckten Gipfel des 5596 m hohen Mount Setso. Die Altstadt Lijiangs gehört seit 1999 zum Weltkulturgut der UNESCO. Der Ort präsentiert sich nicht nur für westliche Touristen als Hochburg. Es wimmelt von Chinesen, alleine oder in der Gruppe unterwegs. Der wirtschaftliche Aufschwung Chinas führt dazu, dass sich eine immer größer werdende Volksschicht das Reisen innerhalb Chinas ermöglichen kann.

 

Lijiang war lange Zeit die Hochburg der Volksgruppe der Naxi. Heute beträgt ihr Anteil an der Bevölkerung gerade noch 20 %. In der Naxi Sprache gibt es einige Besonderheiten. Eine davon ist die Ergänzung der Nomen mit der Bezeichnung für "Frau", wenn man deren Bedeutung steigern will. Andererseits führt der Zusatz des Wortes für "Mann" zu einer Abwertung oder Verkleinerung. Demnach wird aus den Wörtern "Stein" und "Frau" der Begriff Fels: aus "Stein" und "Mann" hingegen ein Kieselstein.

 

Unsere Absicht, von Lijiang noch weiter Richtung Tibet zu reisen, wird durch die klimatischen Verhältnisse verhindert. Die Strasse nach Zhongdian (3200 m.ue.M.) ist von Schnee und Eis bedeckt, die Stadt soll ohne Wasserversorgung sein. Andere Touristen haben die Stadt bereits verlassen, in der Sorge, andernfalls eingeschneit zu werden. So fahren wir nach ein paar Tagen mit dem Bus wieder Richtung Süden nach Dali. Das Busfahren mit den koreanischen long distance Bussen ist recht bequem und die Strassen meistens in sehr gutem Zustand. Da die Chinesen am 22. und 23. Januar 2004 ihr Chinese New Year feiern, sind die Buspreise um 50 % gestiegen. Trotzdem sind die Busse bis auf den letzten Platz ausgebucht und die Gänge mit Gepäckstücken jeglicher Art belegt. Kein Gast soll auf die Idee kommen, die Toilette des Busses zu benützen - der Zugang ist versperrt. In Dali, einem weiteren Ort mit pittoresker Altstadt, machen wir uns auf die Suche nach einem Hotel. Durch die Feiertage sind auch die Hotelpreise angestiegen und die Hotels sehr gut besetzt, was unsere Verhandlungsposition erschwert. Schliesslich finden wir ein unseren Preisvorstellungen entsprechendes Hotel. Erst im nachhin stellen wir fest, dass uns die teuerste der drei bestehenden Preislisten offeriert wurde. Als wir den Hotelier darauf aufmerksam machen, lächelt er nur und zuckt mit den Schultern. Als wir später unseren Aufenthalt verlängern offerieren wir ihm den tiefsten Preis. Diesmal lächeln wir und zucken mit den Schultern - und der Deal ist gemacht.

 

Die in der Region Dali beheimatete Volksgruppe der Bai ist die zweitgrößte unter den vielen Minoritäten in Yunnan. Ein lustiger Volksbrauch der Bai ist das Kissenrennen am Ende einer Bai-Hochzeit. Braut und Bräutigam verlassen die Hochzeitsgesellschaft um zu ihrem neuen gemeinsamen Heim zu gehen. An der Türschwelle beginnt dann das Rennen ins Schlafzimmer - wer das Kissen als erstes erwischt, regiert im Haus.

 

Während eines Tagesausfluges fahren wir in die nahe gelegenen Bergdörfer von Dali. Unser Reiseführer Jim, ein tibetanischer Chinese, ist ein cleverer Typ. Bereits seit Jahren vermietet er Velos und derzeit ist er einer der wenigen Chinesen, welche in Dali Tagestouren anbietet - für chinesische Verhältnisse macht er mit diesen Touren ein prächtiges Geschäft. Manchmal staunen wir, über die Landeskenntnisse und das Verständnis für fremde Kulturen weiterer Touristen. Sie vergleichen die Preise mit denjenigen ihres Heimatlandes, anstatt die Preise im Verhältnis des chinesischen Lohnniveaus zu betrachten. Eine amerikanische Mitreisende meinte bei jeder Gelegenheit: "oh, it is so cheap - every thing is so cheap here"…

 

Im Stadtpark von Jinghong trifft sich am späten Nachmittag die Gemeinschaft der Vogelbesitzer. Meist ältere Männer kommen mit ihren Vogelkäfigen in die idyllisch um einen See angelegte Parkanlage. Schon bald sind die Bäume und die Sitzbänke mit zum Teil kunstvoll aus Holz geschnitzten Vogelkäfigen behangen. Darin sitzen Vögel jeglicher Art. Die Männer treffen sich zum gemütlichen Schwatz im Schatten. Die Vögel zwitschern und pfeifen, als ob sie es den Männern gleich tun wollen. Ein Chines bringt seinen Vogel ohne Käfig mit. Er ist an einer Kette befestigt und sitzt auf einem hölzernen Trapez. Plötzlich ist lautes Gekreische und das Geräusch von Flügelschlägen zu hören. Der arme Vogel ist von seiner Stange gefallen und zappelt wie wild an seiner Kette in der Luft hängend. Alle lachen als der Besitzer das Tier aus seiner ungemütlichen Lage befreit und wieder auf seine Stange setzt.

 

In Jinghong mieten wir uns das erste Mal Fahrräder. Wir fahren 30 km dem Mekong entlang nach Menghan, einem recht verschlafenen Ort. Doch die Fahrt dorthin ist trotz der ungewohnten Fahrräder und der grossen Hitze wunderschön. Als weiteres Andenken spüren wir in den nächsten Tagen unseren Hosenboden…

 

Farbenfroh, lebhaft und geruchsintensiv sind Chinas Märkte. Das Angebot ist vielfältig. Neben den vielen chinesischen Genuesen und Früchten findet sich im Angebot auch uns wohlbekanntes: Broccoli, Blumenkohl, Auberginen, Ruebli, Kartoffeln, Erdbeeren, Mandarinen, Bananen oder Ananas. Es gelingt uns auch ohne Kenntnisse der chinesischen Sprache fast immer, ein Kilo der saftigen Mandarinen zum Preis der Einheimischen zu kaufen. Und wenn es nicht auf Anhieb klappen will, dann hilft oft ein Lächeln - das versteht man auf allen Märkten der Welt. Für westliche Besucher gewöhnungsbedürftig ist die manchmal nicht ganz logische Anordnung der Ware. Da kommt es schon mal vor, dass neben den Hühnern gleich Schweinefleisch zerlegt wird und vis-a-vis Brot gebacken wird. Aber das alles trägt zur speziellen Atmosphäre des Markttreibens bei.

 

Bei unserem Besuch wird eine große Milch-Promotion lanciert. Überall wird Werbung gemacht für Frischmilch - wir kennen die chinesischen Schriftzeichen nicht, können jedoch aufgrund der bildlichen Darstellung deren Slogan verstehen: Milch trinken ist gesund - Milch macht stark. Und speziell für uns: Die Milch wird in diversen Aromen angeboten: Erdbeere, Ananas, Schokolade, gezuckert und ungezuckert. Bis anhin sind die Chinesen nicht als Milchtrinker aufgefallen, Milch wurde höchstens in uperisierter Form angeboten. Doch derzeit sind überall und oft chinesische Milchtrinker anzutreffen - und aus den Reaktionen scheint den Chinesen die Milch beinahe so gut zu schmecken wie der chinesische Tee.

 

Um über die Grenze nach Laos zu gelangen,sind von Jinghong aus noch rund 10 Stunden Busfahrt zu bewältigen. Die erste Etappe führt uns nach Mengla. Im kleinen Städtchen ist nicht viel los. Wir legen trotzdem einen Ruhetag ein, um verschiedene Sachen zu erledigen. Unser Chinareiseführer hat seinen Dienst erfüllt, schon bald ist er für uns nutzlos und wir wollen ihn deshalb in die Schweiz zurückschicken. Als wir das Postamt betreten, ist es menschenleer. Der einzige Beamte spricht nur chinesisch. Er öffnet unser Paket und durchstöbert ungeniert dessen Inhalt. Dann spricht er laufend auf uns ein, wir verstehen jedoch kein Wort. Was er wohl von uns will? Den Zollbeleg haben wir vollständig ausgefüllt, er war immerhin in chinesisch und Französisch aufgedruckt. Der Wortschwall des Postbeamten muss anderen Ursprungs sein. Plötzlich holt er ein dickes Buch hervor und schlägt eine Seite auf. Dort steht über einer Tabelle mit chinesischen Schriftzeichen in grossen Buchstaben "America". Wir schlagen rasch die Seite mit 'Europe - Switzerland" auf. Die Erleichterung des Beamten ist gross, soeben hat er gelernt, dass die Schweiz in Europa liegt. Für den Preis von umgerechnet 18 Schweizerfranken, startet unser Paket dann die Reise in die Schweiz. Vorher wird es noch abgestempelt, aber erst, nachdem wir dies ausdrücklich verlangt haben. Ob das Paket wohl je in der Schweiz ankommen wird?

 

Die letzte Strecke bis zur Grenze von Laos verläuft problemlos. Bei der Ausreise aus China muss jeder Reisende einen Gesundheitstest machen. Der besteht jedoch lediglich aus einem Fragebogen. Es wird gefragt, ob man sich gesund fühlt, oder ob man Kontakt mit an SARS erkranken Leuten gehabt habe. Schliesslich wird noch mittels Laserthermometer an der Stirne die Temperatur gemessen. Der Zollbeamte drückt schliesslich den notwendigen Ausreisestempel in unsere Pässe und wünscht uns eine gute Reise. Vor dem Gebäude wartet ein Lastwagen, der uns die letzten 3 km bis zur laotischen Grenzstadt Boten fährt. Auch hier verläuft das Einreiseprozedere ohne Hindernisse. Der Stempel neben dem Visum erlaubt uns, 30 Tage im Land zu bleiben. China liegt hinter uns, wir freuen uns auf neue Erlebnisse in Laos.

 

* so begrüßt man sich in China.

 

Topps und Flopps CHINA

 

Topps

  • Leben auf den Märkten
  • Dumplin Suppe in Guangzhou
  • Blick auf die Jade Snow-Mountains in Lijiang

 

Flopps

  • Öffentliche WC-Anlagen
  • Nudelsuppe in Kunming